Wir sind in Frankreich aufgewachsen, wo es in den 80er/90er tendenziell mehr Afro-Haarkultur gab, was aber die Pflege und Routine dabei nicht automatisch einfacher machte.
Ich heiße Fanny, bin 41 Jahre alt und lebe in München. Meine Mutter kommt aus Frankreich und mein Vater aus Kamerun. Meine Schwester und ich haben krausige Haare mit der Besonderheit, dass meine Schwester dunkle Haare hat und ich von Natur aus blond bin.
Viele Haarprodukte waren damals nicht besonders schonend für die Kopfhaut und die Haare selbst. Viele Produkte waren eher chemischer Natur bzw. beinhalteten sehr wenige Naturprodukte und waren einfach nicht sehr schonend. Ich erinnere mich, dass sie sich sehr fettig anfühlten und immer sehr stark parfümiert waren. Das hat uns schon als Kind besonders gestört und sind deshalb oft bei Standard-Produkten gelandet (also bei nicht Afro-Produkten). Wir hatten auch ab und an Produkte aus der Apotheke – was aber nicht die Regel war, auch weil es damals sehr kostspielig war.
Unsere Mutter hat sich immer mit viel Zeit und Geduld unseren Haaren gewidmet, immer mit der Herausforderung, das Gleichgewicht zwischen haargerecht und praktisch zu finden. Wir haben als Kind meistens die Haare kurz gehabt, mal offen getragen mal geflochten (von unserer Mutter oder von unserer lieben Nachbarin aus Mali).
Über die Jahre habe ich natürlich einiges ausprobiert, vom Teenageralter bis heute. Von kurz bis lang, von lockig bis nicht lockig, von chemisch geglättet bis Afro. Es ist eine lange Reise gewesen, in der ich mich aber weiterhin befinde. Ich bin (sicherlich wie viele) unter anderem durch die „ich-glätte-meine-Haare-dauerhaft“-Phase jahrelang gegangen. Es gab damals viele Gründe dafür – nicht nur weil der Style mir gefiel, sondern auch weil es praktisch war, weil ich mir einen Haarschnitt aussuchen konnte… und weil ich es bei der Arbeit „passender“ fand. Ich habe inzwischen öfters gelesen, dass viele sich mit diesem „gesellschaftliches“ Gefühl auseinandergesetzt haben. Dieses Empfinden kam niemals von meinen Eltern oder Freunden, sondern von mir selbst in der Arbeitswelt. Bis ich das Gefühl hatte, es wird langsam Zeit, wieder zur natürlichen Form meiner Haare zurückzukommen.
Es gab damals mehrere Denkanstöße: ich wurde müde, jede Woche meine Haare beim Friseur zu waschen/föhnen/glätten – auch wenn die Pariserin das oft macht, wollte ich mir und meinen Haaren nicht antun. Und es kam auch vor allem der Kinderwunsch dazu, wofür ich wusste, dass das chemische Glätten nicht gesund ist.
Dieser wichtige Schritt brachte mich dazu, meine Haare zur natürlichen Struktur zu bringen… und zwar nach einem Zwischenkurzhaarschnitt (wo noch die Glättung sichtbar war) über den Big Chop. Radikal. Hart. Aber das Richtige.
Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Schritt einiges in mich bewirken würde aber plötzlich die Haare ganz kurz und lockig zu tragen erfordert viel Selbstbewusstsein und Geduld. Bis man sich damit wohl fühlt und nicht sofort auf das Tuch zurückgreift um alles zu verstecken.
Ich entdecke meine Gesichtszüge immer wieder aufs Neue oder, sagen wir, anders. Das Styling drum herum, von Schmuck bis Kleidungen, alles wird neu interpretiert. An manchen Tagen mit vollem Elan, an manchen anderen mit etwas weniger Motivation… An diesen typischen Bad Hair Days brauche ich bei meinen „spontanen“ Haaren (wie ich sie gerne nenne!) eine extra-Portion Selbstbewusstsein und Kindness zu mir selbst… Aber es ist ein gutes Gefühl, die für sich richtige Länge und Styling inzwischen gefunden zu haben.
Nach dem Big Chop bin an einem Punkt gekommen, dass ich jetzt gerne nach Pflegeprodukten suchen möchte, die meinem Haartyp entsprechen und die auch für blonde bzw. hellere Haare geeignet sind. Ich finde, dass Naturprodukte das Beste sind, wobei ich eher für die praktische Variante bin – als junge Mutter muss zur Zeit alles etwas schneller gehen. Aber das sollte sich auch bei unseren Haaren nicht ausschließen. Deshalb bin ich dankbar, dass ich immer mehr Tipps und Lektüre über Afro-Haare erfahre. Ich bin zwar erst seit kurzem auf Instagram aber so habe ich Euch bei Afrolocke entdeckt. Dafür ein großes Lob und Dankeschön, dass Ihr uns auf vielfältige Haar-Reisen mitnehmt.
Mit 41 Jahren klingt es für manche sicherlich spät, seine Haare zu „entdecken“ aber ich bin überzeugt, es ist nie zu spät. Meine Haarstruktur ändert sich, ich entwickle mich auch.
Lebensereignisse prägen einen, die eigene Persönlichkeit entwickelt sich weiter dadurch. Meine Haare lieben zu lernen gehört zu dieser Entwicklung – eine schöne und wertvolle Entwicklung.
Herzliche Grüße,
Fanny
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